Eltern- und Familienarbeit

Für Kinder und Jugendliche nehmen die familiären Beziehungen eine bedeutende Rolle ein, so dass der Eltern- und Familienarbeit eine wesentliche Bedeutung zukommt. Die Loyalität der Kinder gegenüber ihren Eltern dominiert ihre gesamte Orientierung, ihr Verhalten, ihre Entwicklung und somit auch deren Einlassen auf die Hilfemaßnahme. Daher ist das zentrale Thema der Elternarbeit die Herstellung eines Konsenses und der Aufbau einer konstruktiven Kooperation im pädagogischen Vorgehen zwischen den Eltern und der Einrichtung, wie auch zwischen den beiden Elternteilen (und ggf. weiteren beteiligten Bezugspersonen). Oberste Priorität ist es, das betreffende Kind spüren zu lassen, dass beide Elternteile und die Mitarbeiter der Einrichtung bzw. alle beteiligten Erwachsenen inklusive Jugendamt im Sinne des Kindes eine weitestgehend einheitliche Haltung einnehmen und an einem Strang ziehen. Weitere Zielsetzungen der Elternarbeit sind die Steigerung der Erziehungskompetenz der Eltern, Umgang mit spezifischen Verhaltensweisen und Entwicklungsprozessen der Kinder (Entwicklungsphasen im Kindesalter, Pubertät, bis hin zur Loslösung von den Eltern), Bewältigung von intrafamiliären Konflikten, Stärkung der Persönlichkeit der Eltern und ggf. auch die Unterstützung in der Bewältigung persönlicher Schwierigkeiten.

Der zeitliche Ablauf der Elternarbeit lässt sich in vier Phasen untergliedern. Die Orientierungsphase, die Grundlagen- und Aufbauphase, die Stabilisierungsphase und die Rückführungs- und Ablösungsphase.

In der Orientierungsphase stehen das gegenseitige Kennenlernen, der Vertrauensaufbau, die Auftragsklärung bzw. Zielvereinbarung und der Aufbau einer konstruktiven Kooperation im Vordergrund. Weiterhin wird in dieser Phase darauf hin gearbeitet, die Eltern zu entlasten, sie darin zu unterstützen loszulassen und sie nach der i. d. R. zuvor stark belastenden Zeit zunächst zur Ruhe kommen und „durchatmen“ zu lassen. Die Eltern sollen „auftanken“, für sich selbst sorgen und zu einem normalen Alltag zurückfinden. Hierzu werden sie für mindestens einen Monat weitestgehend von der erzieherischen Verantwortung und jeglichen Anforderungen freigestellt, indem die zu leistenden Erziehungsmaßnahmen in vollem Umfang von der Einrichtung übernommen werden. In der folgenden Grundlagen- und Aufbauphase wird die Realisierung der definierten Zielvereinbarungen angestrebt. Die Eltern werden zunehmend in die pädagogische Arbeit einbezogen. Je nach vorrangigem Thema der Elternarbeit wird die hierzu geeignete Fachkraft –  Erziehungsleitung, Gruppenleitung oder Bezugsbetreuung – für die federführende Durchführung der vertiefenden Elternarbeit definiert. Nach einem Besuch dieser Fachkraft in der Familie, fahren die Kinder in vierzehntägigem Rhythmus für je ein Wochenende zu ihren Eltern nach Hause. Über die Gestaltung und Strukturierung dieser Wochenenden wird eine zunehmender Abgleich und ein einheitliches erzieherisches Vorgehen angesteuert. Die Eltern werden in kleinen Schritten mehr und mehr in die Verantwortung genommen und gleichzeitig in der für sie erforderlichen Weise unterstützt. Hierzu findet ein enger Austausch zwischen den Gruppenbetreuern und den Eltern statt. Regelmäßige wöchentliche Telefontage sowie telefonische Absprachen vor und nach den Wochenendheimfahrten dienen dem Austausch über aktuelle Besonderheiten und der Vereinbarung durchzuführender Maßnahmen. Auf diese Weise soll eine maximale Transparenz des Vorgehens geschaffen werden. Zur Festigung der Zusammenarbeit werden gemeinsame Aktionen mit den Eltern durchgeführt. Hierzu zählen Tagesbesuche des Bezugsbetreuers mit dem Kind bei den Eltern, Einladung der Eltern zu gemeinsamen Veranstaltungen oder besonderen Anlässen innerhalb der Einrichtung (z.B. Geburtstag, Weihnachtsfeier, Wochenendaktivitäten, o.ä.). Hierbei besteht für die Eltern die Möglichkeit, in dem hierzu eingerichteten Elternzimmer in der Einrichtung zu übernachten. Persönliche Gespräche, die wechselweise im Haushalt der Eltern und in der Einrichtung stattfinden, dienen der vertiefenden Elternarbeit, hinsichtlich der definierten Zielsetzungen. Dies sind in vielen Fällen, Abbau von Überlastungs- und Versagensgefühlen, (Re-)Aktivierung der Ressourcen der Eltern, Steigerung der Autorität und der Erziehungskompetenz, Strukturierung des Tagesablaufs, Anleitung und Hilfestellung in konkreten Erziehungssituationen, konsequentes Handeln und Grenzen setzen, Regulation des oft übermäßigen Medienkonsums, entwicklungsförderliche Anforderungen an die Kinder stellen, Aushalten von Widerständen und Umgang mit Verweigerungsverhalten der Kinder u. v. m.. Eine in dieser besonderen Situation der Fremdunterbringung und dem Streben jedes Kindes zu seinen Eltern zurückzukehren ist, die in nahezu jedem Einzelfall zu bewältigende Herausforderung, dem Versuch des Kindes die Erwachsenen gegeneinander auszuspielen, standzuhalten, was ein hohes Maß an Transparenz, Vertrauen und maximaler Kooperation zwischen den Erwachsenen erfordert. Die Kinder neigen dazu jegliche Schwachstellen auszunutzen, um kurzfristige Vorteile für sich zu erheischen. Um dem zu begegnen, werden die Sorgen und Ängste der Eltern, bestehende Konflikte, tabuisierte Themen und festgefahrene Umgangsformen und unbewusste Handlungsimpulse thematisiert und adäquate Lösungswege erarbeitet. Häufig haben die Eltern die Führungsrolle gegenüber dem Kind verloren, so dass es in der Grundlagen- und Aufbauphase zusammenfassend darum geht, die Eltern in diese Führungsposition zurückzubringen. Die Wochenenden und Ferien werden hierzu als Übungsfeld genutzt, in dem die Eltern ihre erweiterten Kompetenzen anwenden und trainieren. Zur Unterstützung erhalten die Eltern während dieser „Trainingszeit“ bei Bedarf telefonische Soforthilfe. Ebenso wird ihnen zusätzliche Sicherheit gegeben, indem sie für den Fall der Überforderung auf die Option zurückgreifen können, das Kind jederzeit von Zuhause abholen und in die Einrichtung zurückbringen zu lassen bzw. dies nötigenfalls als erzieherische Maßnahme anzuwenden. In der Stabilisierungsphase wird die Intensität der Elternarbeit sukzessive zurück gefahren und die erzieherische Verantwortung (für die Gestaltung der Wochenenden und Ferienzeiten) zunehmend auf die Eltern übertragen. Die intensive formende und anleitende Hilfeleistung wird in die Form des Coachings übergeleitet. Im weiteren Verlauf wird lediglich bei akutem
Handlungsbedarf in den Erziehungsprozess eingegriffen und entsprechende Unterstützung geleistet. Sofern eine Stabilisierung des Verhaltens des Kindes wie auch der familiären Situation zu beobachten ist, wird der Umfang der Kontakte ausgedehnt, so dass das Kind mehr Zeit (jedes Wochenende, verlängerte Ferienbesuche oder Sonderheimfahrten) zuhause verbringt. In der Rückführungs- und Ablösungsphase schließlich wird je nach Zielvereinbarung die Rückführung in den Haushalt der Eltern oder die Verselbständigung (etwa in Form des Betreuten Wohnens) vorbereitet. In dieser Phase steht die Planung, Vorbereitung und Umsetzung der notwendigen organisatorischen Angelegenheiten sowie die Sicherstellung der weiterhin positiven Entwicklung im Anschluss an die stationäre Versorgung im Vordergrund. Die Eltern werden hinsichtlich der rechtzeitigen Anmeldung in der weiterführenden Schule oder der Bewerbung um einen geeigneten Ausbildungsplatz wie auch der sozialen Integration, der Unterstützung des Kindes im Aufbau eines Freundeskreises, der Planung der künftigen Freizeitgestaltung, der Kontaktaufnahme zu Sportvereinen etc. beraten und angeleitet. Darüber hinaus wird die Verfügbarkeit privater Stützsysteme besprochen, der Bedarf an weiterführenden ambulanten Hilfen erörtert und – sofern als notwendig erachtet – in Absprache mit dem Jugendamt in die Wege geleitet. Selbiges gilt für den Weg der Verselbständigung. Hier gilt es zusätzlich die Jugendlichen wie auch die Eltern in den spezifischen Anforderungen von der Wohnungssuche bis hin zum Ablösungsprozess des Jugendlichen vom Elternhaus (und der Einrichtung) sowie der erforderlichen Nachbetreuung zu unterstützen. Sind Eltern aufgrund verschiedenster Problemlagen den erzieherischen Anforderungen dauerhaft nicht gewachsen, ist es uns wichtig, sie trotzdem mit in den Prozess mit einzubeziehen, auch wenn das Kind dauerhaft in der Corsten Jugendhilfe bleiben soll